Murdschi'a

Murdschi'a (arabisch مرجئة, DMG Murǧiʾa ‚Aufschieber‘) ist der Name einer religiös-politischen Bewegung des Islam, die sich während der Umayyadenzeit (661–750) in Kufa bildete und danach strebte, die nach der ersten Fitna (kriegerische Auseinandersetzungen innerhalb der islamischen Gemeinschaft) eingetretene Spaltung unter den Muslimen zu überwinden. Nachdem sie sich auch nach Chorasan und Transoxanien verbreitet hatte, setzte sie sich besonders für die Interessen der Mawālī ein. Auf dogmatischer Ebene zeichnete sich die Bewegung durch ein spezielles Verständnis des Glaubens (īmān) aus, das die Handlungen des Menschen ausklammert. Ende des 8. Jahrhunderts ging die murdschi'itische Theologie eine Symbiose mit der hanafitischen Rechtsschule ein. Aufgrund des allgemein schlechten Ansehens der Murdschi'a haben sich die Hanafiten allerdings später von dieser Bewegung distanziert. In der Gegenwart wird der Begriff Murdschi'a vor allem polemisch verwendet, und zwar von Islamisten und Salafisten, die damit solche Muslime kennzeichnen, die sich nach ihrer Ansicht nicht genügend für die Anwendung der Scharia einsetzen.

Der Name der Murdschi'a ist von dem aktiven Partizip murǧiʾ des arabischen Verb arǧaʾa („aufschieben, zuwarten“) abgeleitet. Er nimmt Bezug auf Sure 9:106 des Korans, wo es heißt: „Und mit anderen wird zugewartet, bis Gott über sie entscheidet (wa-āḫarūn murǧaʾūn li-amri Llāh[1]). Entweder bestraft er sie, oder er wendet sich ihnen (gnädig) wieder zu.“ Die theologische Position der Murdschi'a wird auf Arabisch als Irdschā' (irǧāʾ) bezeichnet.

  1. Vgl. Rudi Paret: Der Koran. Kommentar und Konkordanz von Rudi Paket. Kohlhammer, Stuttgart 1971, ISBN 978-3-17-022670-8; 7. Auflage ebenda 2005, ISBN 3-17-018990-5; 8. Auflage 2012. Weitere Auflage, mit einem Vorwort sowie Nachträgen und Berichtigungen von Rudi Paret von Dezember 1979: Ansariyan Publication, Ghom 1981, S. 5 (murǧūna li-amri llāh: Anlass zur Benennung der dogmengeschichtlichen Kategorie der Murǧiʾa).

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