Postironie

Der Begriff Postironie (lateinisch post: hinter, nach; griech. εἰρωνεία, eironeía: Täuschung, Verstellung) bezeichnet eine differenzierte Haltung zur Figur der Ironie, oder eine bestimmte Variante von ihr. Postironie erkennt man daran, wenn zunächst eine Aussage ironisch getätigt wird (wenn jemand sagt: „Ich bin reich“, aber damit meint: „Ich bin nicht reich“), aber sich im Nachhinein die Aussage bewahrheitet (wenn z. B. dieser Jemand plötzlich von einem Verwandten erfährt, dass er eine große Geldsumme von einem entfernten Verwandten geerbt hat).[1]

  1. Bozena Anna Bedura, Zwischen Komik und Postironie. Die Spielarten des Humors in Tyll von Daniel Kehlmann, erschienen in der Zeitschrift: „Transfer: Reception Studies“, Band. 5, 2020, Vgl. 129: Postironie wird hier anhand des Werks „Tyll“ exemplifiziert: Einer der Inquisitoren, die Tylls Vater überführen, Doktor Tesimond, interessiert sich für Drakontologie, die Lehre vom Wesen der Drachen.69 Bisher ist es ihm allerdings noch nicht gelungen, einen Drachen zu finden, denn „die Drachen seien unvorstellbar scheu und zu verblüffenden Kunststücken der Tarnung fähig. Man könne hundert Jahre suchen und doch nie in die Nähe eines Drachen kommen. Ebenso könne man hundert Jahre in unmittelbarer Nähe eines Drachen verbringen und ihn nie bemerken. […] In seiner geliebten Heimat gebe es noch zwei Drachen, aber aufgespürt habe sie seit Jahrhunderten kein Mensch.“ Die hier eingesetzte dramatische Ironie besteht darin, dass der Rezipient genau weiß, dass die Tatsache, dass bisher keine Drachen gefunden wurden, kein Beweis für deren Tarnkünste sein kann, geschweige denn für ihre Existenz. Nicht überzeugend ist für den Rezipienten auch das angeführte Argument, die Existenz der Drachen sei außerdem „wegen der Wirksamkeit der Substitute“ belegt, aufgrund deren Kräuter oder Tiere ihre Heilkraft erhalten, wie zum Beispiel der Egerling: „durch seine Ähnlichkeit mit dem Drachen! Warum kann der Zinnober heilen, wenn nicht deshalb, weil er dunkelrot ist wie Drachenblut!“ Während diese Verwendung der dramatischen Ironie den klassischen Stilmitteln zuzurechnen ist und daher keiner weiteren Ausführung bedarf, stellt das, was im Weiteren als Postironie bezeichnet wird, eine neuere, noch nicht fest etablierte Tendenz der Gegenwartsliteratur dar: Denn Kehlmann realisiert in Tyll die Pointe der vorangestellten dramatischen Ironie, wodurch er diese transzendiert. [... denn] einige Seiten später wird er eines Besseren belehrt, als er von dem Erzähler vom Tod des letzten Drachen erfährt: „Im selben Jahr starb in der Holsteinischen Ebene der letzte Drache des Nordens. Er war siebzehntausend Jahre alt, und er war es müde, sich zu verstecken.“ Eben mit der detaillierten Beschreibung des Todes des Drachen und der Information, dass sich ein Drache (womöglich in heilende Pflanzen oder Tiere?) verwandelt, wird die (Humor erzeugende) Pointe, nämlich die Tatsache, dass es keine Drachen gibt und ihre Nicht-Auffindbarkeit kein Beweis für ihre Existenz ist, realisiert. Dieses Verfahren soll im Weiteren als Postironie bezeichnet werden.

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