Adel

Idealbild Karls des Großen mit erst lange nach seinem Tod hergestellten Teilen der Reichskleinodien, gemalt 1513 von Albrecht Dürer im Auftrag seiner Vaterstadt Nürnberg. Die Schrift im Bild lautet: „Karolus magnus / imp(er)avit Annis·14·“. Die umlaufende Schrift lautet: „Dis ist der gstalt vnd biltnus gleich / kaiser karlus der das Remisch reich / Den teitschen under tenig macht / Sein kron vnd klaidung hoch geacht / Zaigt man zu Nurenberg alle Jar / Mit andern haltum offenbar“.

Der Adel (althochdeutsch adal oder edili „edles Geschlecht, die Edelsten“, lateinisch nobilitas) versteht sich selbst als eine „sozial exklusive Gruppe mit gesellschaftlichem Vorrang“, die Herrschaft ausübt und diese in der Regel innerfamiliär (als Adelsgeschlecht) tradiert.[1] Eine Klarheit des Begriffs gibt es allerdings nicht.[2] In den einzelnen europäischen Herrschaftsbereichen gelten bzw. galten unterschiedliche Kriterien, wer zum Adel gehört und wer nicht.[3] Dies gilt auch für außereuropäische Kulturkreise. Angehörige des Adels werden als Adelige, Edelfrau, Edelfräulein oder Edelmann bezeichnet.

Der Herrschaftsanspruch des Adels gründete sich unter anderem auf Leistung, Erziehung und Abstammung sowie unterstellte göttliche Absicht. Führungsschichten in den verschiedenen Kulturen der Welt und in unterschiedlichen Gesellschaften werden als Adel gedeutet. Der Adel war trotz zum Teil sehr langer Phasen der Kontinuität immer wieder Veränderungen ausgesetzt. Er konnte zusammenbrechen, wie der spätrömische Adel, oder sich neu bilden.[4] In vielen Ländern der Welt hält der Adel seine ehemals umfangreiche und exklusive politische Macht nicht mehr in den Händen, ist zum Teil sogar nicht mehr existent (z. B. China), nicht einmal mehr als nach außen wahrnehmbare soziale Gruppe. Gleichzeitig gibt es viele Staaten, die von adeligen Häusern regiert oder repräsentiert werden und in denen der Adel eine wichtige Rolle spielt – von Großbritannien bis Kambodscha.[5]

In Europa kennt die Archäologie früheste Zeugnisse, die als solche adeligen Lebens gedeutet werden, vor allem Grabfunde und Reste ehemaliger Villen und Burgen.[6] Antike griechische, römische, aber auch z. B. etruskische Führungsschichten werden als Adel aufgefasst. Im Mittelalter hat sich der Adel aus römischen und germanischen, ethnisch gesehen teilweise auch aus slawischen Wurzeln zu einer „multifunktionalen Elite“ entwickelt, die politisch und militärisch, ökonomisch, sozial, kulturell und religiös führte,[7] allerdings nicht zwingend als „Adel“ zu deuten ist.[8]

Der europäische Adel hat sich etwa ab dem 11./12. Jahrhundert in der Regel ständisch organisiert.[7] In solchen ständischen Systemen gelten für den Adel bestimmte Rechte, Privilegien, Pflichten und Verhaltenskodizes.[9] Mit der Ablösung der ständischen durch demokratische, sozialistische oder kommunistische Systeme oder konstitutionelle Monarchien hat der Adel in Europa seine politische Bedeutung größtenteils verloren.

Die rechtliche wie gesellschaftliche Situation des Adels gestaltet sich historisch je nach Region äußerst unterschiedlich: Vom prinzipiellen Verbleib der Standesunterschiede (z. B. Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland) über die Aufhebung der Standesvorrechte und -pflichten (z. B. Weimarer Republik) und seine Abschaffung (z. B. Österreich) bis hin zur Auslöschung durch Verfolgung, Vertreibung, Inhaftierung oder Ermordung (z. B. Frankreich, Russland, SBZ/DDR).[10]

Der Begriff Adel wird im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch heute für die Gesamtheit der Familien benutzt, die in früheren Zeiten einem mit Vorrechten ausgestatteten Stand angehörten.[11] In Europa stellt der Adel in der gegenwärtigen Zeit mitunter eine relativ geschlossene soziale Schicht mit eigenen Lebensweisen, Umgangsformen und einem differenzierten Standesethos dar.[12][13][14]

  1. Monika Wienfort: Der Adel in der Moderne, Göttingen 2006, S. 8.
  2. So wird etwa geklagt, es stelle sich „nach Durchsicht der Forschungsliteratur zuverlässig der Kater ein … Die klassische adelsgeschichtliche Literatur … beschäftigte sich mit einzelnen Familien und Geschlechtern …, oft nur, um die edelfreie Herkunft der in Rede stehenden Geschlechter plausibel zu machen.“ (Mark Mersiowsky: Niederadel, Goßbauern und Patriziat. In: Kurt Andermann, Peter Johanek (Hrsg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel. Stuttgart 2001, S. 241 f.) Und: „Jeder weiß, was mit Adel gemeint ist, solange er kein Buch darüber schreiben muss. Dann beginnen die Probleme der genauen Definition.“ (Dominic Lieven: Abschied von Macht und Würden. Der europäische Adel 1815–1914. Frankfurt/M. 1995, S. 9, zit. bei Ewald Frie: Adel um 1800: Oben bleiben? In: zeitenblicke 4/2005, Nr. 3 zeitenblicke.de und bei Uwe Walter: Aristokratische Existenz in der Antike und der Frühen Neuzeit – einige unabgeschlossene Überlegungen. In: Hans Beck, Peter Scholz, Uwe Walter (Hrsg.): Die Macht der Wenigen. Oldenburg 2008, S. 368.)
  3. Ronald G. Asch: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2008. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob das Wort „Adel“ überhaupt auf außereuropäische Kulturen und Sprachen anwendbar ist, wenn Adel „vielleicht nur im historischen Japan eine nennenswerte Parallele hat.“ (Walter Demel: Der europäische Adel. 2. Auflage. München 2011, S. 8.). Man wandte sich gegen eine ahistorische Ausdehnung des Adelsbegriffes „auf alle Aristokraten aller Kontinente“, der „hauptsächlich wegen funktionalistischer Definitionen“ zustande komme. (Joseph Morsel: Die Erfindung des Adels. In: Otto Gerhard Oexle, Werner Paravicini (Hrsg.): Nobilitas. Göttingen 1997, S. 313f Fußn. 3)
  4. Vgl. Ralf G. Jahn: Der griechische Adel von der Spätantike bis zur Gegenwart. adel-genealogie.de, abgerufen am 21. Juni 2013.
  5. siehe auch: Liste der gegenwärtigen Monarchien
  6. Hermann Ament: Germanen: Unterwegs zu höherer Zivilisation. novaesium.de, abgerufen am 21. Juni 2013.
  7. a b Walter Demel: Die Spezifika des europäischen Adels. Erste Überlegungen zu einem globalhistorischen Thema: „Ständischer Adel“ In: Zeitenblicke 9, Nr. 3/2005, 13. Dezember 2005. Abgerufen am 26. Mai 2011.
  8. So wurde in Frage gestellt, „ob es in frühfränkischer Zeit überhaupt einen ‚Adel‘ (als Rechtsstand) oder nur eine Oberschicht gegeben hat“ (Hans-Werner Goetz: Nobilis. Der Adel im Selbstverständnis der Karolingerzeit. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 70-2/1983, S. 154f mit Literaturverweisen; Heike Grahan-Hoek: Die fränkische Oberschicht im 6. Jahrhundert. Sigmaringen 1976) und die Verwendung des Adelsbegriffs für die Merowinger als Anachronismus bezeichnet (Heiko Steuer: Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa. Göttingen 1982, S. 529). Hinweise auf einen ostslawischen Adel gibt es bis zum 8./9. Jahrhundert „weder in den schriftl. Quellen noch im arch. Befund“. (A. Gieysztor: Adel (Teilbeitrag). In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München/Zürich 1980, Sp. 133, 141). Gina Fasoli betonte wiederholt, dass die Bezeichnungen „Adel“, „Aristokratie“, „Patriziat“ für Schichten in europäischen Städten des Mittelalters problematisch sind vgl. z. B. Gina Fasoli: Oligarchie und Mittelschicht in den Städten der Poebene vom 13. zum 14. Jahrhundert. In: Reinhard Elze, Gina Fasoli (Hrsg.): Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Mittelalters. Berlin 1991, S. 366; Gina Fasoli: Città e feudalità. In: Structures féodales et féodalisme dans l’Occident méditerranéen (Xe-XIIe siecle). Rom 1980.
  9. Nithardus: Historiarum libri IV, Liber IV, 2. In: Bibliotheca Augustana (latein.). Projekt von Ulrich Harsch. Abgerufen am 26. Mai 2011; Eike von Repgow: Sachsenspiegel. 3. Buch, Kapitel 45; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794.
  10. Beispiele:
  11. Duden Wörterbuch: Adel. Abgerufen am 13. Juli 2023.
  12. Ijoma Mangold: Eine Klasse für sich. In: Zeit Online/Die Zeit, Nr. 41, 7. Oktober 2010, S. 17 19.
  13. Als Adel oder adelig werden in vielen nichtständischen Gesellschaften Europas die Angehörigen der Familien bezeichnet, die zu Ständezeiten qua Gesetz den Adel bildeten.
    Beispiele (Bsp. I–XI für Deutschland, Bsp. XII für Österreich, Bsp. XIII–XIV für Frankreich):
    • I. Die „Definition des Adels“ verschiebt sich „von rechtlichen zu soziokulturellen Merkmalen“. (Monika Wienfort: Der Adel in der Moderne. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 9.)
    • II. „In der Gegenwart besitzen Adelige [in Deutschland] keine rechtlichen oder politischen Privilegien mehr. Trotzdem gehören überproportional viele Adelige zu den politischen oder wirtschaftlichen, zu den regionalen oder lokalen Eliten.“ (Ebenda, S. 10.)
    • III. „Nach vorsichtigen Schätzungen beträgt der Anteil des Adels an der deutschen Bevölkerung heute nicht mehr als 0,1 %.“ (Ebenda, S. 159.)
    • IV. „Das Ende der Geschichte des deutschen Adels war dies aber nicht. Vielmehr gilt, wie Wienfort im Anschluss an Weber ausblickend urteilt, dass »der Adel auch im 21. Jahrhundert weiter besteht, solange er Glauben für seine Adelsqualität findet – in den eigenen Reihen und in der massenmedialen Öffentlichkeit«. Insofern bleibt der Adel auch ein Thema für die Zeitgeschichte. Zumindest in zweierlei Hinsicht eröffnet eine Geschichte des Adels in der Bundesrepublik Erkenntnischancen: zum einen als wesentlicher Bestandteil einer bundesrepublikanischen Elitengeschichte, zum anderen als geradezu Webersche Versuchsanordnung.“ (Monika Wienfort: Adel in der Moderne. Göttingen 2006. Rezensiert von Martin Kohlrausch, DHI Warschau. In: H-Soz-u-Kult, 31. Mai 2007. Seite abgerufen am 26. Mai 2011.)
    • V. „Auch die Geschäftspolitik der jungen Bundesrepublik erleichterte die Eingliederung des Adels in die sozialpolitische Ordnung. Denn auf der Linie einer honorigen Traditionsbildung wurde zu einer Zeit, als die Verschwörer des 20. Juli 1944 vielfach noch als «Landesverräter» stigmatisiert wurden, der auffällig große Anteil von Adligen an dieser Opposition anerkannt, damit aber auch der Adel insgesamt als widerstandsfähige Formation gewürdigt. Auch diese Einstellung versöhnte den Adel mit den neuen sozialpolitischen Bedingungen.“ (Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band – Bundesrepublik und DDR 1949–1990. C. H. Beck, München 2008, S. 166f.)
    • VI. „Politisch optierte der Adel im allgemeinen für die CDU/CSU, allenfalls die Freidemokraten gewannen einige adlige Außenseiter.“ (Ebenda, S. 168.)
    • VII. „Bekanntlich war ein Drittel der in diesem Zusammenhang hingerichteten Gegner des Nationalsozialismus adelig. […] Die mentale Ankunft des Adels in der Bundesrepublik verdankt sich damit auch einer standesbezogenen Geschichtspolitik, die einen als adelig definierten Tugendkanon mit der Bereitschaft zum aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Verbindung brachte.“ (Eckart Conze/Monika Wienfort: Einleitung – Themen und Perspektiven historischer Adelsforschung zum 19. und 20. Jahrhundert. In: Eckart Conze/Monika Wienfort: Adel und Moderne – Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Böhlau, Köln 2004, S. 4.)
    • VIII. „Und gewährt nicht ein Blick auf den Adel nach 1945 auch Einsichten in die Sozialstruktur der Bundesrepublik? […] Und wenn man sich für diese Prozesse und Mechanismen interessiert, wird man auch das Jahr 1945 nicht als Endpunkt von Adelsgeschichte betrachten dürfen.“ (Ebenda, S.…12.)
    • IX. „Überlegungen wie die Schulenburgs oder Einsiedels, bei näherem Betrachten jedoch auch diejenigen Moltkes, verweisen auf die Fortwirkung eines spezifisch adeligen Selbstverständnisses, aber auch auf die Verknüpfung, wenn nicht die Identität von Standesethos und Eliteideal, von Dienstideologie und Herrschaftsanspruch. In dieser Perspektive gewinnt auch das Widerstandsdenken und -handeln des Attentäters selbst, von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, eine adelshistorisch relevante Dimension.“ (Eckart Conze: Adel und Adeligkeit im Widerstand des 20. Juli 1944. In: Heinz Reif (Hrsg.): Adel und Bürgertum in Deutschland II. Akademieverlag, Berlin 2001, S. 282 f.)
    • X. Michael Seelig, M.A., Projektbeschreibung: Der ostelbische Adel in der Bundesrepublik Deutschland 1945/49–1974. (Memento vom 13. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) Dissertationsprojekt an der Philipps-Universität Marburg. (Seite abgerufen am 26. Mai 2011.)
    • XI. Eckart Conze: Der Edelmann als Bürger? Standesbewußtsein und Wertewandel im Adel der frühen Bundesrepublik. In: Manfred Hettling/Bernd Ulrich (Hrsg.): Bürgertum nach 1945. Hamburg 2005, S. 347–371.
    • XII. Gudula Walterskirchen: Adel in Österreich heute. Der verborgene Stand. Haymon, Wien/Innsbruck 2010.
    • XIII. „Indessen ist die Bewegung, welche die Idee des Adels aus dem juristisch-politischen Bereich in ein kulturelles System gesellschaftlicher Repräsentanz übertrug, wahrscheinlich nicht nur in Frankreich zu beobachten.“ (Claude-Isabelle Brelot: Das Verlangen nach Adel und Standeskultur im nachrevolutionären Frankreich. In: Eckart Conze/Monika Wienfort: Adel und Moderne – Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Böhlau, Köln 2004, S. 63.)
    • XIV. Monique de Saint Martin: Der Adel – Soziologie eines Standes. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2003.
  14. Monika Wienfort spricht von einem „spezifisch adeligen Wertekanon[s] im Kontext von Begriffen wie Ehre, Pflicht und Opfer, der als Gegenmodell zu »bürgerlichen« Vorstellungen von individueller Leistungsbereitschaft entwickelt wurde.“ (Monika Wienfort: Der Adel in der Moderne, Göttingen 2006, S. 11). Hans-Ulrich Wehler spricht in Anlehnung an Lord Ralf Dahrendorf vom Adel als einer „Prestige-Oberschicht“ und einer „geschlossenen Gesellschaft“, „die sich mit eigenen Ritualen, ihrem spezifischen Ehrenkodex, ständischen Prinzipien der Lebensführung, ihrem Abstammungsprestige und dem exklusiven gesellschaftlichen Verkehr von ihrer bürgerlichen Umwelt abhob.“ (Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 5: Bundesrepublik und DDR 1949–1990, München 2008, S. 167).

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