Ernest Mandel (Aussprache [manˈdɛl], * 5. April 1923 in Frankfurt am Main; † 20. Juli 1995 in Brüssel) war ein einflussreicher marxistischer Ökonom, Theoretiker des Sozialismus und – zeitweise zusammen mit Michel Pablo – ein führendes Mitglied der Vierten Internationale. Von 1970 bis zu seiner Emeritierung (1988) lehrte Mandel an der Vrijen Universiteit in Brüssel. Als er 1972 zum Professor für Politische Ökonomie an die Freie Universität Berlin berufen werden sollte, verhängte der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher gegen ihn, der als einer der „Hintermänner der Unruhen vom Mai 1968 in Frankreich“ bezeichnet wurde, ein Einreiseverbot. 1977 wurde Mandel Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Für seine Vorlesungen in Cambridge über die Langen Wellen der kapitalistischen Entwicklung erhielt er 1978 den Alfred-Marshall-Preis der Universität. Gemessen an der Verbreitung seiner zahlreichen Bücher ist er nach Georges Simenon und Hergé der erfolgreichste belgische Autor des 20. Jahrhunderts.[1]
Zu den Schwerpunkten von Mandels theoretischer Arbeit gehörten die Widersprüche des zeitgenössischen Kapitalismus, die Chancen für die Entstehung revolutionärer Massenbewegungen, die Probleme sozialistischer Strategie und die Beschäftigung mit der Bürokratie und den stalinistischen Entwicklungen in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern.[2]
Mandel stellte sich in politischer Hinsicht als einer der Protagonisten des westeuropäischen Trotzkismus sowohl der „Moskauer Orthodoxie“ als auch den Kommunistischen Parteien in Westeuropa kritisch entgegen, wobei er sich selbst als Vertreter eines undogmatischen „offenen Marxismus“ verstand.[3]