Generisches Maskulinum

Der Organist im Ständebuch (1568) von Hans Sachs und Jost Amman. Die Illustration zeigt eine Frau an der Orgel.[1]

Generisches Maskulinum (von lateinisch genus „Geschlecht, Gattung, Art“, und masculus „männlich“)[2] bezeichnet die sexusindifferente (auch: geschlechtsneutrale oder geschlechtsunspezifische) Verwendung maskuliner Substantive oder Pronomen.[3][4] Hierbei werden beispielsweise grammatisch maskuline Personen- oder Berufsbezeichnungen, von denen sich oft auch eine feminine Form ableiten lässt, generisch (also verallgemeinernd) für Personen verwendet, deren biologisches Geschlecht entweder unbekannt, nicht von Bedeutung oder (im Plural) männlich, weiblich oder gemischt ist.[5][6] Das generische Maskulinum ist somit die „Fähigkeit maskuliner Personenbezeichnungen, geschlechtsabstrahierend verwendet zu werden“.[7] Auch für einige Tierarten wird das generische Maskulinum geschlechtsneutral verwendet (siehe Abgeleitete Tierbezeichnungen). Im Gegensatz zum „spezifischen“ Maskulinum, das immer männliche Individuen bezeichnet, abstrahiert das generische Maskulinum vom Geschlecht, beispielsweise:

  • jeder, der helfen will, ist willkommen (jede und jeder)
  • alle Lehrer wollen guten Unterricht machen – sowohl männliche als auch weibliche Lehrkräfte
  • viele Bären leben in den Bergen – sowohl männliche (Bären) als auch weibliche (Bärinnen)

Je nach Sprache gibt es einen generischen Gebrauch des Maskulinums neben Substantiven auch bei anderen Wortarten wie Personalpronomen, Possessivpronomen, Indefinitpronomen und Demonstrativpronomen.

Für das Deutsche wurden in den späten 1970er und den beginnenden 1980er Jahren in der BRD von Bundesministerien im Rahmen von Bestrebungen zur Gleichstellung von Mann und Frau für viele Berufsbezeichnungen movierte Formen neu geschaffen und dann lexikalisiert. Gegensätzlich verlief die Entwicklung in der DDR, wo bewusst im Rahmen der Gleichberechtigung auf movierte Berufsbezeichungen verzichtet wurde. Der Sprachwissenschaftler Eckhard Meineke sieht in den geschlechtsdifferenzierten Ausbildungsverordnungen der BRD den Ursprung für die seit den 1980er-Jahren in öffentlichen Texten abnehmende Verwendung des generischen Maskulinums insbesondere bei Berufsbezeichnungen und bei Nomina Agentis. Die feministische Diskussion habe erst später Breitenwirksamkeit erlangt.[8]

Die seit den 1970er Jahren sich entwickelnde feministischen Linguistik kritisiert, das generische Maskulinum sei missverständlich, da bei seiner Verwendung nur die maskulinen Formen sichtbar werden, Frauen seien nicht sichtbar und nur mitgemeint. Es wurden zahlreiche psycholinguistische Untersuchungen durchgeführt, die nahelegen, dass bei Texten mit generischen Maskulina eher männliche Personen assoziiert werden. Allerdings bezweifeln Sprachwissenschaftler wegen methodischer Mängel die Beweiskraft dieser Untersuchungen; so werden etwa der Unterschied zwischen Singular und Plural, die Bedeutung des Textkontextes oder die Auswirkung der Referenz zu wenig beachtet. Weitere Studien zur Textverständlichkeit zeigen, dass die kognitive Verständlichkeit der untersuchten Texte mit generischen Maskulina gleich gut oder besser ist als die der gegenderten Textvarianten.[9][10][11]

  1. Wikisource: Der Organist in Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden (1568)
  2. Grammis: Genus und Sexus. In: Grammis.IDS-Mannheim.de. Stand: 7. September 2018, abgerufen am 2. August 2021.
  3. Maskulinum, das. In: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen am 8. März 2021: „Maskulinum, das; -s, Maskulina ⟨lat.⟩ Gramm. Substantiv männlichen Geschlechts“
  4. Duden | Maskulinum | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 8. März 2021: „Bedeutungen (2): a) Substantiv mit männlichem Geschlecht, b) männliches Geschlecht eines Substantivs“
  5. Gabriele Diewald, Anja Steinhauer: Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Herausgegeben von der Duden-Redaktion. Dudenverlag, Berlin (April) 2020, ISBN 978-3-411-74517-3, S. 20 und 81–82.
  6. Gisela Klann-Delius: Sprache und Geschlecht: Eine Einführung. Metzler, Stuttgart/Weimar 2005, ISBN 3-476-10349-8, S. 24, 26 und 29–30 (eingeschränkte Seitenvorschauen in der Google-Buchsuche).
  7. Ursula Doleschal: Das generische Maskulinum im Deutschen: Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. In: Linguistik online. Band 11, Nr. 2, Januar 2002, S. 39–70: „Fähigkeit maskuliner Personenbezeichnungen, geschlechtsabstrahierend verwendet zu werden, insbesondere wenn es nicht um konkrete Personen geht“ (doi:10.13092/lo.11.915; online auf unibe.ch; PDF: 115 kB, 32 Seiten auf linguistik-online.net).
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