Geschichte des Papsttums

Thronender Petrus mit Segensgestus und Schlüssel (Arnolfo di Cambio, Bronze, 13. Jahrhundert, Petersdom)

Die Geschichte des Papsttums reicht von der Spätantike bis in die Gegenwart. Grundlegend für das Selbstverständnis der Päpste ist ihr Anspruch, in der Nachfolge des Apostels Simon Petrus zu stehen. Die Institution des Papsttums geht auf die Tradition der stadtrömischen Kirche zurück, wonach Petrus und Paulus in Rom den Märtyrertod erlitten hätten. Keine andere Ortskirche beanspruchte dies für sich. Eine zweite Komponente war die christlich verstandene Romidee.

Obwohl Bischöfe von Rom bereits in der Alten Kirche den Anspruch auf eine Führungsrolle in der Christenheit erhoben, erfolgte die Ausgestaltung des Papsttums erst im Mittelalter, vorbereitet durch die Kirchenreformbewegung des 11. Jahrhunderts. Die Herrschaft über ein eigenes Territorium in Mittelitalien, den Kirchenstaat, ermöglichte den Päpsten eine unabhängigere politische Rolle, führte aber auch zu Konflikten mit anderen Herrschern wie dem römisch-deutschen Kaisern und den Königen von Frankreich. Eine besonders enge Verbindung gingen seit Otto I. die mittelalterlichen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches mit dem Papsttum ein; sie leiteten ihre imperial-sakrale Würde von der Krönung durch den Papst ab. Unter anderem um das Recht der Einsetzung von Bischöfen und des machtpolitischen Vorranges kam es zwischen den Reformpäpsten und den salischen und staufischen Herrschern immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen.

Die Päpste riefen vom späten 11. bis 13. Jahrhundert mehrere Kreuzzüge aus. Sie versprachen den Teilnehmern einen Plenarablass. In den Kreuzfahrerstaaten des Orients wurde eine dem Papst unterstellte kirchliche Hierarchie etabliert. Der päpstliche Anspruch auf Weltherrschaft gewann dadurch an Plausibilität. Einen Höhepunkt erreichte das Papsttum unter Innozenz III., der den Titel Vicarius Iesu Christi (Stellvertreter Jesu Christi) offiziell annahm. Seine Autorität stammte demnach direkt von Christus und war nicht abgeleitet aus der biblisch begründeten Sonderstellung des Petrus, dessen Nachfolger der Papst als Bischof von Rom war.

Ende des 13. Jahrhunderts gerieten die Päpste zunehmend unter die Kontrolle der französischen Krone. Sie residierten zwischen 1309 und 1376/1377 in Avignon. Diese Phase wird daher als Avignonesisches Papsttum bezeichnet. Befreit von den Adelskämpfen in Rom, bauten die Avigneser Päpste Hof- und Finanzstrukturen aus. Rom galt aber weiterhin als Heilige Stadt. Urban VI. ging 1378 aus dem ersten stadtrömischen Konklave seit über 70 Jahren als neuer Papst hervor; seine konfrontative Amtsführung hatte aber zur Folge, dass die Kardinäle seine Wahl für ungültig erklärten und Clemens VII. an seiner Stelle zum Papst wählten. Damit begann das Große Abendländische Schisma: eine Spaltung der Christenheit in Territorien, die dem in Rom residierenden Papst folgten (das Heilige Römische Reich, Italien und England), und Territorien, die den in Avignon residierenden Papst anerkannten (die Habsburgerlande, Sizilien, Frankreich und Sardinien). Das Schisma wurde auf dem Konzil von Konstanz durch das Kollegium der dort versammelten Bischöfe beider Seiten überwunden, die Martin V. 1417 als neuen Einheitspapst wählten. Das Konzil von Basel-Ferrara-Florenz (1431–1445) scheiterte mit dem Anspruch, das Bischofskollegium sei dem Papst übergeordnet (Konziliarismus). Seitdem konsolidierte sich die päpstliche Oberhoheit über die Kirche wieder.

Als Mäzene vor allem florentinischer Künstler strebten die Päpste während der Renaissance an, das Ansehen ihrer Institution als führende Kulturmacht zu mehren. Ein Prestigeprojekt, der Neubau des Petersdoms, wurde durch eine Ablasskampagne finanziert. Diese machte sich das Konzept eines Gnadenschatzes zunutze, über den exklusiv der Papst verfüge. Er könne aus diesem Schatz zeitliche Sündenstrafen, insbesondere Fegefeuerstrafen, gegen Geldzahlungen erlassen. Der Wittenberger Augustiner Martin Luther protestierte 1517 dagegen in seinen 95 Thesen. Die Ablasskritik weitete sich zur Ablehnung des Papsttums aus, das nun bei Luther und seinen Parteigängern als antichristlich galt. Herrscher, Fürsten und Reichsstädte begründeten im Zuge der Reformation romunabhängige Kirchentümer. Dies schwächte die Machtstellung des Papsttum in Lateineuropa nachhaltig. Andererseits stellten sich die Päpste 1622 durch Gründung der Kongregation für die Glaubensverbreitung (Congregatio de Propaganda Fide) an die Spitze der von den großen Orden getragenen und von den Kolonialmächten Spanien und Portugal unterstützten Weltmission. Die Schwäche des Kirchenstaats als politischer Akteur in Mittelitalien wurde im 18. Jahrhundert offensichtlich. Im Zuge europäischer Erbfolgekriege wurde er mehrfach von fremden Truppen besetzt. Die europäischen Großmächte, insbesondere Frankreich, Habsburg und Spanien, sorgten im Konklave dafür, dass aus Papstwahlen nur schwache Kompromisskandidaten hervorgingen. Symptomatisch für die Schwäche des Papsttums am Vorabend der Französischen Revolution erscheint die von Spanien, Portugal und Frankreich 1773 erzwungene Aufhebung des Jesuitenordens.

Der Widerstand gegen Napoleon Bonaparte verhalf der Institution Papsttum im frühen 19. Jahrhundert zu neuem Ansehen. Auf dem Wiener Kongress wurde der Kirchenstaat als „älteste und legitimste Monarchie“ wiederhergestellt. In den meisten europäischen Staaten mit katholischer Bevölkerung war in napoleonischer Zeit ein radikales Staatskirchentum anstelle der gewachsenen bischöflich-landeskirchlichen Strukturen etabliert worden. Die Restauration kehrte nicht zu den vornapoleonischen Verhältnissen zurück, sondern brachte Ortskirchen mit einer starken Romorientierung hervor. Hinzu kam insbesondere in Deutschland und Frankreich die Papstverehrung als Teil einer konfessionell-katholischen Volksfrömmigkeit. Gleichzeitig mit dem Verlust des Kirchenstaates 1870 fixierte das Erste Vatikanische Konzil zwei Papstdogmen: den gesamtkirchlichen Jurisdiktionsprimat und, darin eingebettet, die Unfehlbarkeit bei Ex-cathedra-Entscheidungen.

Die Wandlung von einer europazentrierten zu einer echten Weltkirche wurde von den Päpsten im 20. Jahrhundert aktiv vorangetrieben. Den Anfang machte Benedikt XV. 1919 mit dem apostolischen Schreiben Maximum illud, das eine Abkehr vom Kolonialismus in der Weltmission einleitete. Gefördert von den Päpsten, entstanden in Asien, Afrika und Lateinamerika einheimische kirchliche Hierarchien; unter Pius XII. erhielt das Kardinalskollegium einen internationalen Charakter, Paul VI. förderte diese Internationalität auch in der Kurie. Im Oktober 1978 wählte das Konklave erstmals seit 1523 einen Nicht-Italiener zum Papst. Der charismatische und medienaffine Johannes Paul II. stellte in seinem langen Pontifikat kirchenpolitisch konservative Weichen. Benedikt XVI., der erste Dogmatikprofessor auf dem Papstthron, stand für Kontinuität mit seinem Vorgänger. Mit Papst Franziskus übernahm 2013 nach dem Rücktritt Benedikts XVI. erstmals ein Jesuit und erstmals ein Südamerikaner die Leitung der Römisch-katholischen Kirche.


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