Kanoniker

Bischof und Kanoniker (rechts), Brügge 2014
Kanoniker im 16. Jahrhundert mit dem Almutium über dem linken Arm
Flämischer Kanoniker mit Almutium
Meister der Spes nostra: Kanoniker und Heilige bei einem Grab oder Allegorie der Vergänglichkeit. ca. 1500

Kanoniker, auch Stiftsherren oder Chorherren genannt, sind Kleriker aller Weihestufen zumeist der römisch-katholischen bzw. der anglikanischen Kirche, die als Mitglieder eines Domkapitels oder eines Stiftskapitels an einer Kathedrale, Basilika oder Ordenskirche an der gemeinsamen Liturgie mitwirken. Unter gemeinsamer Liturgie versteht man die Feier der heiligen Messe und des Stundengebets, zu der alle Priester verpflichtet sind, ob allein oder in Gemeinschaft. Daher stammt auch die Bezeichnung Kanoniker, der vom kirchenlateinischen Begriff canonicus abgeleitet ist, der seinerseits auf das Griechische zurückgeht (κανών „Regel, Richtscheit“ bzw. κανονικός „regelhaft, verpflichtend“).[1] Die Zeiten der „kanonischen Stunden“ (horae canonicae), das heißt, die des Stundengebets, sind im Abendland seit der Mitte des 6. Jahrhunderts durch die Benediktregel umschrieben.[2]

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Stiftsherren: einerseits den Regularkanonikern oder regulierten Chorherren, deren Gemeinschaftsgrundlage meist die Augustinusregel ist, und andererseits den Säkularkanonikern, die nach Consuetudines, also Auslegungen mönchischer Ordensregeln, leben.

Kanoniker leben in Gemeinschaft. Der Vorsteher eines Kapitels ist in der Regel ein Propst, manchmal ist die Leitung auch einem Dekan oder Prior übertragen. Einige Kapitel werden direkt vom Diözesanbischof geleitet; an den römischen Patriarchalbasiliken führt der Vorsteher den Titel eines Erzpriesters. Als canonicus a latere (Episcopi) (‚Kanoniker an der Seite [des Bischofs]‘) wurden Domherren bezeichnet, die vom Bischof in ein Vertrauensverhältnis an seinen Hof berufen wurden und dort für ihn besondere Aufgaben ausführten.[3][4] Die Chorherren sind heute meist in der Seelsorge tätig und werden mehr oder weniger vollständig aus den Kirchengütern unterhalten.

Das Mitglied eines Kathedralkapitels bezeichnet man als Domkapitular, das Mitglied eines Säkularkanonikerstiftes oder eines Ordens regulierter Chorherren (Regularkanoniker) als Kanonikus oder Chorherr. Ein jedes dieser Kapitel kann darüber hinaus verdiente Geistliche – im Ausnahmefall auch Laien besonderen Ranges – mit dem Titel eines Ehrenkanonikers auszeichnen.

  1. Rudolf Kassühlke: Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament. 2. Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1999, S. 97.
  2. Andreas Heinz: Kirchlich-religiöses Leben. Klerus und Gottesdienst an der Trierer Domkirche. In: Werner Rössel (Hgb.): Das Domkapitel Trier im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Beiträge zu seiner Geschichte und Funktion. Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2018, S. 295–377, hier S. 321.
  3. Friedrich Keinemann: Ernennungen von Canonici a latere in den westfälischen Hochstiften nach der preußíschen Okkupation. In: Westfälische Zeitschrift 118 (1968) / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" [1]
  4. Art. Canonicus a Latere Episcopi. In: Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften, Bd. 5: Can – Cn. Varrentrapp und Wenner, Frankfurt am Main 1781, S. 96–97.

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