Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus umfassen die systematische Ermordung von etwa 216.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und den besetzten bzw. annektierten Gebieten von 1933 bis 1945.[1] Motive entsprangen der Nationalsozialistischen Rassenhygiene, Antisemitismus sowie kriegswirtschaftlichen Gründen und mit Humanexperimenten auch der wissenschaftlichen Neugier in der medizinischen Forschung im 3. Reich.

Als Rechtsgrundlagen dienten zahlreiche Gesetze ab 1933, wie z. B. das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung bis zu einem Schreiben Hitlers zu Kriegsbeginn, das die als „Euthanasie“ bezeichnete Vernichtung lebensunwerten Lebens mitsamt ihrer dazu bürokratisch verantwortlichen ärztlichen Ansprechpartner anordnete. Zwar gab es 1941 offiziell ein Ende der Euthanasie, die aber 1942 durch die Aktion Brandt (30.000 Tote) oder den Hungerkost-Erlaß weitergeführt wurde, und als „wilde Euthanasie“ bezeichnet wird.

Diagnostische Kriterien umfassten Schizophrenie, Epilepsie, Encephalitis, Schwachsinn, Paralyse, Chorea Huntington, Menschen mit seniler Demenz oder anderen neurologischen Endzuständen, was auch etwa 5.000 ehemalige Soldaten des Ersten Weltkriegs betraf.

Für die Kinder-Euthanasie wurden 30 Kinderfachabteilungen als Tötungsstätten eingerichtet. Ein Teil der Morde fand im Rahmen der Aktion T4 statt, für die sechs Tötungsanstalten mit Gaskammern errichtet wurden: Tötungsanstalt Brandenburg, Tötungsanstalt Bernburg, Tötungsanstalt Grafeneck, Tötungsanstalt Hartheim, Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, Tötungsanstalt Hadamar. Auch 20.000 kranke und „nicht mehr arbeitsfähige“ KZ-Häftlinge wurden dort bis Ende des Krieges ermordet. In den besetzten Gebieten wurde Menschen erschossen, vergiftet und zum Teil das Personal der Krankeneinrichtungen gezwungen, nicht arbeitsfähige Insassen zu töten.

Den Alliierten war die Euthanasie-Aktion ab 1940 bekannt. Proteste kamen von Eltern der Betroffenen, einigen katholischen und evangelischen Kirchenvätern und einem deutschen Richter.

Die Aufarbeitung der Verbrechen dauert an; unmittelbar nach dem Krieg wurden Täter scharf verurteilt. Ab 1948/49 erhielten Täter als „Gehilfen ohne eigenen Willensentschluss“ aber schon mildere Strafen. Viele Prozesse folgten erst in den 1970er/1980er Jahren und etliche wurden wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt, sodass von 638 Verfahren nur 6,8 % rechtskräftig wurden. 1983 veröffentlichte Ernst Klee ein Buch. Ab 1987 setzte sich der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten für Opfer ein. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) begann erst 2010 ihre Geschichte aufzuarbeiten.

  1. NS-„Euthanasie“: Vom Wahn zur Wirklichkeit. In: Ärzteblatt. A-2626 / B-2194 / C-2061, Nr. 41. Deutscher Ärzteverlag GmbH, 10. Oktober 2003, S. 2626–2630 (aerzteblatt.de [abgerufen am 5. November 2020]).

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