Kulturanthropologie ist ein Teilbereich der Ethnologie (früher Völkerkunde, heute auch Sozial- und Kulturanthropologie), die den Menschen in seinem Verhältnis zu seiner Kultur untersucht. Der Begriff ist eine direkte Übersetzung aus dem Englischen (cultural anthropology). In Amerika bezeichnet cultural anthropology eine von vier Forschungsfeldern innerhalb der Wissenschaft vom Menschen (anthropology): physical anthropology beschäftigt sich mit dem Menschen als biologisches Lebewesen, also seiner Evolution, seinen physischen Adaptationen und seinem Verhalten; die linguistic anthropology erforscht die Fähigkeit des Menschen zur sprachlichen Kommunikation in all ihren Formen; die archaeology untersucht die Ur- und Frühgeschichte des Menschen anhand materieller Befunde aus der Vergangenheit und die cultural anthropology befasst sich ganzheitlich (holistisch) und weltweit vergleichend mit kulturellen Ordnungen, Symbolsystemen und Praktiken.[1]
Die Bezeichnung cultural anthropology wird heutzutage vor allem mit dem Wirken von Franz Boas im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts und seiner als Kritik am Evolutionismus entwickelten Theorie des historischen Partikularismus in Verbindung gebracht. Allerdings verweisen neuere Studien auf eine komplexere Geschichte der Entwicklung der Kulturanthropologie bereits im 19. Jahrhundert.[2] In der Ethnologie (früher Völkerkunde) steht Kulturanthropologie bis heute für theoretische Ansätze aus der amerikanischen Wissenstradition, in denen die symbolische Dimension menschlicher Kommunikation im Mittelpunkt steht,[3] während Sozialanthropologie vor allem die in England entwickelten funktionalistischen Ansätze des 20. Jahrhunderts bezeichnet.[4]
Auf der Suche nach einer neuen Bezeichnung für das eigene Fach begannen die Vertreter des volkskundlichen Instituts an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, nicht nur „Ethnologie“, sondern auch „Kulturanthropologie“ als Selbstbezeichnung zu verwenden.[5] Die Bezeichnung Kulturanthropologie wird daher heute im deutschsprachigen Raum unterschiedlich benutzt: Die Volkskunde übernahm die Bezeichnungen „Kulturanthropologie“ sowie „Europäische Ethnologie“, während die Ethnologie (Völkerkunde) weiterhin „Kulturanthropologie“ im Sinne der nordamerikanischen Ausprägung der cultural anthropology verwendet.
Kulturanthropologen forschen sowohl empirisch und historisch als auch gegenwartsbezogen sowie vergleichend mit dem Ziel der Entwicklung übergreifender theoretischer Fragestellungen, Begriffe und Theorien.