Politeia

Fragment der Politeia auf einem Papyrus aus dem 3. Jahrhundert. POxy 3679, Ashmolean Museum, Oxford

Die Politeia (altgriechisch Πολιτεία „Der Staat“; lateinisch Res publica) ist ein um 375 v. Chr. verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon, in dem über die Gerechtigkeit und ihre mögliche Verwirklichung in einem idealen Staat diskutiert wird. An dem fiktiven, literarisch gestalteten Dialog beteiligen sich sieben Personen, darunter Platons Brüder Glaukon und Adeimantos und der Redner Thrasymachos. Platons Lehrer Sokrates ist die Hauptfigur. Weitere Anwesende hören lediglich zu.

Die Politeia ist die erste abendländische Schrift, die ein ausgearbeitetes Konzept der politischen Philosophie vorstellt. Sie ist ein Grundlagentext der Naturrechtslehre und zählt zu den wirkmächtigsten Werken der gesamten Philosophiegeschichte. Im 20. Jahrhundert wurde intensiv und kontrovers darüber diskutiert, inwieweit sich die modernen Begriffe Totalitarismus, Kommunismus und Feminismus auf Positionen in dem antiken Dialog anwenden lassen. Liberale, sozialistische und marxistische Kritiker haben das Konzept des Idealstaats angegriffen. Die neuere Forschung distanziert sich von diesen weltanschaulich gefärbten, teils polemischen Debatten und Bewertungen. Ferner ist umstritten, ob es sich bei der Politeia um ein rein utopisches Modell oder zumindest ansatzweise um ein politisches Programm handelt.

Der in zehn Bücher gegliederte Dialog besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen. Am Anfang (Buch 1) führt Sokrates mit Thrasymachos ein Streitgespräch über die Frage, wie die Gerechtigkeit zu definieren sei. Im Hauptteil (Bücher 2–10) bemühen sich Sokrates, Glaukon und Adeimantos, die Natur der Gerechtigkeit zu bestimmen und ihren Wert zu erfassen. Sokrates meint, Gerechtigkeit sei zwar in der Seele des Menschen zu finden, doch im sozialen Kontext, im Staat, sei sie leichter erkennbar. Daher lenkt er das Gespräch auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Staat Gerechtigkeit zustande kommt. Nach seinem Verständnis ist ein zusammengesetztes Ganzes dann gerecht, wenn jeder Teil seine naturgemäße Aufgabe erfüllt. Davon ausgehend entwirft Sokrates das Modell eines ständisch geordneten idealen Staates. Dessen Bevölkerung ist in drei Teile gegliedert: den Stand der Bauern und Handwerker, den Stand der Krieger oder Wächter und den Stand der „Philosophenherrscher“, die als kleine Elite aus dem Wächterstand hervorgehen und den Staat regieren. Zu den Kernelementen des Konzepts zählen zwei Bestimmungen, die nur für die Wächter und die Herrscher gelten: die Aufhebung des Privateigentums und die Abschaffung der Familie, die als elementare soziale Einheit beseitigt wird. Die herkömmlichen Aufgaben der Familie, insbesondere die gesamte Erziehung der Kinder, übernimmt die Gemeinschaft des Wächterstandes. Ein weiteres markantes Merkmal ist die Zensur: Dichtung, die sich auf die Charakterbildung ungünstig auswirken kann, wird nicht zugelassen.

In Analogie zum dreiteiligen Aufbau des idealen Staates beschreibt Platons Dialogfigur Sokrates die Struktur der Seele, die ebenfalls aus drei Teilen zusammengesetzt sei. In diesem Modell wird die Verschiedenartigkeit der Menschentypen und der zu ihnen passenden Staatsformen auf unterschiedliche Machtverhältnisse zwischen den Seelenteilen zurückgeführt. Die Seele ist diesem Verständnis zufolge unsterblich und kann zur Ideenwelt Zugang finden, einem metaphysischen Bereich, in dem sich die ewigen, unveränderlichen „platonischen Ideen“ befinden. Die Ideenlehre, die Platon hier seinem Lehrer in den Mund legt, bildet einen Kernbestandteil seiner eigenen Philosophie, nicht der des historischen Sokrates. Eine zentrale Rolle spielt darin die Idee des Guten. Aus didaktischem Grund wird diese anspruchsvolle Thematik mit drei Gleichnissen veranschaulicht: dem Sonnengleichnis, dem Liniengleichnis und dem Höhlengleichnis.


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