Der Politikos (griechisch Πολιτικός Politikós, lateinisch Politicus, deutsch Der Staatsmann) ist ein in Dialogform verfasstes Spätwerk des griechischen Philosophen Platon. Wiedergegeben wird ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch zwischen einem nicht namentlich genannten „Fremden“ aus Elea und einem jungen Philosophen namens Sokrates, den man heute „Sokrates den Jüngeren“ nennt, um ihn von „Sokrates dem Älteren“, dem berühmten Lehrer Platons, zu unterscheiden. Anwesend sind außerdem Sokrates der Ältere und die Mathematiker Theodoros von Kyrene und Theaitetos.
Die beiden Diskutanten stellen sich die Aufgabe zu bestimmen, was den Staatsmann ausmacht und worin die Aufgabe wahrer Staatskunst besteht. Der an Sachkenntnis weit überlegene Fremde lenkt das Gespräch. Er erklärt Sokrates dem Jüngeren das Wesen der Staatskunst. Zugleich ist der Dialog eine Übung im methodisch sauberen Vorgehen bei einer philosophischen Analyse.
Zur Beantwortung der Frage, was Staatskunst ist, wird die Methode der Dihairesis verwendet. Dabei wird ein allgemeiner Begriff – in diesem Fall „Wissen“ – so lange in Unterbegriffe unterteilt, bis die genaue Definition des untersuchten Begriffs gefunden ist. Auf diesem Weg erarbeiten die Gesprächspartner einen Definitionsvorschlag: Staatskunst ist das Wissen darüber, wie die Menschenherde zu hüten ist. Diese Begriffsbestimmung erweist sich aber als ungenau und muss daher zurückgewiesen werden.
Darauf wählt der Fremde einen neuen Ansatz. Zuerst erzählt er einen Mythos, der illustrieren soll, dass die Bestimmung der staatsmännischen Tätigkeit als Fürsorge eines Hirten für die Menschenherde unzulänglich ist, denn der Zuständigkeitsbereich eines Hirten und Herdenzüchters ist umfassender als der eines Politikers. Dann nimmt der Fremde etwas Vertrautes, die Wollweberei, als Muster, um die Vorgehensweise bei der Begriffsbestimmung des Unbekannten, der Staatskunst, zu demonstrieren. Im „Weber-Gleichnis“ grenzt er die Webekunst von allen anderen Künsten ab, mit denen sie Gemeinsamkeiten aufweist.
Zu definieren ist die Kunst des wahren Staatsmanns, der optimal regiert, da er sich nach wissenschaftlichen Grundsätzen und Erkenntnissen richtet. Ein solcher Herrscher versteht sich als Erzieher der Bürger. Sein philosophisches Wissen befähigt ihn, gegensätzliche Elemente der Menschennatur wie Mut und Besonnenheit richtig „zusammenzuweben“. Dadurch entsteht eine ausgewogene, harmonische Mischung, schädliche Einseitigkeiten werden vermieden. Unter der Lenkung des weisen Staatsmannes orientiert sich die Staatsordnung am richtigen Maß, am Angemessenen, das er dank seiner Messkunst kennt. Das ist der Idealzustand; schriftlich fixierte Verfassungsbestimmungen sind dann überflüssig. Wenn aber ein solcher Staatsmann fehlt, soll die höchste Autorität den Gesetzen zukommen, die umsichtige Gesetzgeber eingeführt haben. Das ist allerdings nur die zweitbeste Lösung, denn ein Regelwerk kann die souveräne Kompetenz eines vorzüglichen Entscheidungsträgers nicht ersetzen.
In der modernen Forschung wird insbesondere das Verhältnis des Politikos zu Platons anderen staatstheoretischen Schriften, der Politeia und den Nomoi, kontrovers diskutiert. Dabei geht es um die Frage, ob der Philosoph seine Meinung in wesentlichen Punkten geändert hat. Viel Beachtung findet auch die Problematik des Gegensatzes zwischen den flexiblen, situationsgerechten Ermessensentscheidungen eines weisen Staatslenkers und den starren, in manchen Fällen kontraproduktiven gesetzlichen Vorschriften. Gesetzliche Normen verhindern zwar schädliche Willkür der Herrschenden, können aber der Lebenswirklichkeit nicht immer gerecht werden.