Rassentheorien (zusammenfassend auch als Rassenkunde oder Rassenlehre bezeichnet) sind Theorien, welche die Menschheit in verschiedene Rassen einteilen. Sie waren vor allem im 19. und im frühen 20. Jahrhundert sehr einflussreich, gelten aber heute als überholt und wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Die Rassen wurden primär aufgrund äußerlicher (phänotypischer) Merkmale wie Hautfarbe, Behaarung oder Schädelform typologisch unterschieden, häufig wurden aber auch zusätzliche Unterschiede im Charakter und den Fähigkeiten entsprechender Individuen angenommen bzw. behauptet.
In verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Milieus und zu verschiedenen Zeiten erfuhr die Bezeichnung „Rasse“ jeweils unterschiedliche Verwendungen bei Versuchen zur Gruppierung oder Klassifizierung des Menschen. In der Anthropologie wurde Rasse vom späten 17. Jahrhundert bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts als Bezeichnung zur Klassifizierung von Menschen verwendet, seit dem 19. Jahrhundert vielfach synonym mit Volk.[1] Daneben entstanden auch in der Ethnologie und der Soziologie sowie als Rassenbiologie in der Biologie auf den Menschen bezogene Rassekonzepte.
Derartige Untergliederungen der Menschheit waren zum Teil nur neutrale Versuche einer Klassifizierung, zum Teil waren sie aber auch mit Wertungen verbunden, indem man angeblich höher- und minderwertige Menschenrassen unterschied (Rassismus) und Zusammenhänge zwischen rassisch bedingten Eigenschaften und der Kulturentwicklung behauptete.
In der Biologie wird der Mensch weder in Rassen noch in Unterarten unterteilt. Molekularbiologische und populationsgenetische Forschungen seit den 1970er Jahren haben gezeigt, dass eine systematische Unterteilung der Menschen in Unterarten ihrer enormen Vielfalt und den fließenden Übergängen zwischen geographischen Populationen nicht gerecht wird. Zudem wurde herausgefunden, dass die augenfälligen phänotypischen Unterscheidungsmerkmale der Rassentheorien nur von sehr wenigen Genen verursacht werden, der größte Teil genetischer Unterschiede beim Menschen stattdessen innerhalb einer sogenannten „Rasse“ zu finden ist. Anders ausgedrückt: Die Variationen eines jeden Merkmals innerhalb der Art Mensch gehen in sehr unterschiedlicher Weise über die angeblichen Rassengrenzen hinaus und beweisen damit deren willkürlichen Charakter.[2]
Überdies ist etwa die Hautfarbe evolutionär ein sehr labiles Merkmal, das heißt, sie hat sich bei Wanderungsbewegungen menschlicher Populationen über verschiedene Breitengrade hinweg in relativ kurzer Zeit verändert. Dies liegt daran, dass die Hautfarbe unter starkem Selektionsdruck steht.[3] So gehen Anthropologen heute davon aus, dass die ersten nach Europa eingewanderten modernen Menschen (Cro-Magnon-Mensch) dunkelhäutig waren.[4] Erst in den letzten 5000 Jahren hellte sich die Hautfarbe der Europäer auf, vermutlich durch Anpassung an die durch Europas geringe Sonnenstrahlung erschwerte körpereigene Herstellung von Vitamin D und durch Wahl der Sexualpartner nach veränderten Schönheitsidealen.[5]
Die Einteilung des Menschen in biologische Rassen entspricht damit nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Dennoch wird der Begriff bisweilen in der biomedizinischen Forschung und im offiziellen Sprachgebrauch in manchen Ländern (etwa in den USA, dem UK und in Lateinamerika) nach wie vor verwendet. Dabei wird das Wort race nicht in einem biologischen Sinn, sondern als soziale Kategorie verwendet, die sich weitgehend auf eine Selbsteinschätzung der betroffenen Personen stützt. So widmen sich heutzutage insbesondere die Critical Race Theory und die Kritische Weißseinsforschung dem Thema Rasse.