Seeschlacht von Salvore

Die Seeschlacht von Salvore, ein Gemälde von Domenico Tintoretto (um 1605); ein zweites Gemälde der Schlacht, ebenfalls von Tintoretto, ist in Wien verloren gegangen. Das venezianische Exemplar befindet sich bis heute im Saal des Großen Rates im Dogenpalast. Die venezianische Geschichtsschreibung behauptete über Jahrhunderte, die viel kleinere Flotte Venedigs hätte im Jahr 1177, im Vorfeld des Friedens von Venedig zwischen Kaiser und Papst, über die des Kaisersohnes Otto gesiegt.

Die Seeschlacht von Salvore war, obwohl sie nie stattgefunden hat, vom frühen 14. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fester Bestandteil der venezianischen Historiographie. Auch war sie im Zentrum der Staatssymbolik, dem Dogenpalast, Sujet der großformatigen Malerei. In der populärwissenschaftlichen Geschichtsschreibung lebte sie noch weit darüber hinaus.

In dieser Schlacht hatte angeblich eine venezianische Flotte von 30 Galeeren im Jahr 1177 eine sehr viel größere, aus 75 Galeeren bestehende Flotte unter Führung des zu dieser Zeit etwa sieben Jahre alten Otto besiegt, eines Sohnes Kaiser Friedrichs I. Nach Auffassung der venezianischen Geschichtsschreiber war es diese Niederlage und das Bitten seines Sohnes, die den Kaiser dazu bewegten, sich mit Papst Alexander III. in Venedig auszusöhnen und damit einen das abendländische Christentum zerreißenden Konflikt endlich zu beenden. Die für die nachfolgenden venezianischen Geschichtsschreiber maßgebliche Quelle entstand im 14. Jahrhundert durch den Dogen Andrea Dandolo, der die Seeschlacht allerdings nicht selbst erfunden hat.

Tatsächlich kam es unter Vermittlung des Dogen Sebastiano Ziani am 24. Juli 1177 zum rituell untermauerten Friedensschluss von Venedig zwischen Papst Alexander und Kaiser Friedrich, nachdem letzterer im Jahr zuvor in der Schlacht von Legnano von den italienischen Kommunen besiegt worden war. Der Doge von Venedig spielte zwar die zentrale Rolle als Vermittler zwischen den kaisertreuen Städten und dem Kaiser auf der einen, sowie dem Papst, dem Normannenreich Süditaliens und den reichsfeindlichen Städten Norditaliens auf der anderen Seite, jedoch hatte Venedig bei den militärischen Auseinandersetzungen keine wesentliche Rolle gespielt.

Um den überaus bedeutenden Vorgang der Aussöhnung zwischen Kaiser und Papst, der Venedig und seinen Dogen ungemein aufwertete, rankte sich schon bald eine Reihe von Legenden, einschließlich eines angeblich einjährigen, heimlichen Aufenthaltes Papst Alexanders in einem venezianischen Kloster nach einer abenteuerlichen Flucht.

Zu diesen Legenden zählt auch der Sieg über den besagten Sohn des Kaisers, bei dem die Venezianer vor Salvore (Kap Savudrija, ein Stadtteil von Umag auf Istrien) die kaiserliche Flotte vernichtend besiegten – wiewohl das Reich im Mittelmeer gar keine Flotte unterhielt. Die venezianische Flotte stand dabei angeblich unter dem Befehl des Dogen selbst oder aber unter dem seines Sohnes. Otto, einer der acht Söhne Friedrichs, war zu dieser Zeit wohl noch ein Kind, so dass einige Autoren sein Geburtsdatum vorverlegten, um ihn wenigstens volljährig zu machen. Der Kaisersohn, der in venezianische Gefangenschaft geraten sei, habe angeboten, seinen Vater zum Friedensschluss zu bewegen, und er habe ihn damit von seinem unrechten Krieg abbringen können.

Um 1409 erhielt Gentile da Fabriano den Auftrag, den Saal des Großen Rates im Dogenpalast mit Gemälden zu versehen. So entstand auch eine Darstellung der von der venezianischen Staatspropaganda als so wichtig erachteten Schlacht, auf die schließlich die Festa dell’Ascension zurückgeht, eine aufwändige Staatsfeier, die bis heute jedes Jahr begangen wird. Allerdings ist dieses Kunstwerk zerstört.[1] Aber es wurde bald ersetzt. Domenico Tintoretto schmückte im frühen 17. Jahrhundert den Großen Saal mit einer neuen, monumentalen Darstellung der Seeschlacht.

Die Historizität der Seeschlacht verteidigte die Republik Venedig auch noch vier Jahrhunderte später. Dabei kam es zu einem heftigen diplomatischen Konflikt, als ein bedeutender Geschichtsschreiber, Cesare Baronio, die Seeschlacht in seinem historischen Werk ignorierte und sich dabei auf eine vatikanische Handschrift der Chronik des Romuald von Salerno berief. Diese Chronik ist für den Frieden von Venedig tatsächlich die Hauptquelle. Die venezianischen Diplomaten ihrerseits beriefen sich unter anderem auf das Gemälde Tintorettos als historische Quelle, aber auch auf ihre ältesten Chroniken (die erst im 14. Jahrhundert abgefasst wurden). Der Papst sah sich veranlasst anzuordnen, dass die entsprechende Inschrift unter einem Gemälde der Schlacht wiederhergestellt wurde.

  1. Konrad Escher: Malerei der Renaissance in Italien, Teil 2: Die Malerei des 14. bis 16. Jahrhunderts in Mittel- und Unteritalien, Berlin-Neubabelsberg 1922, S. 33 (Digitalisat).

Developed by StudentB