Stadt der kurzen Wege

Die „Stadt der kurzen Wege“ bezeichnet ein Leitbild der Stadtplanung, das vor allem seit den 1980er Jahren verfolgt wird. Diesem Leitbild zufolge kann das Verkehrsbedürfnis verringert, die Fußgängerfreundlichkeit erhöht und somit der Verkehr vermieden werden, indem solche Bedingungen geschaffen werden, dass räumliche Distanzen zwischen Wohnen, Arbeit, (Nah-)Versorgung, Dienstleistungen, Freizeit- und Bildungsorten gering sind. Als Richtwert zur individuellen Erreichbarkeit aller zentralen Alltagsorte abseits der Arbeit werden für Großstädte vielfach 15 Minuten vom Wohnort vorgeschlagen (im Besonderen: 15-Minuten-Stadt). Das Paradigma gilt als exemplarisch für eine „Architektur der Nähe“.[1]

Als angestrebtes Ergebnis sollte es möglich sein, dass anteilig mehr Fußgänger-, Radfahr- oder öffentlicher Personennahverkehr und weniger motorisierter Individualverkehr stattfindet. Landschaftszerschneidung und Zersiedelung werden reduziert. Ein Element des Konzepts der „Stadt der kurzen Wege“ ist die Wohnraumverdichtung sowie die Multifunktionalität von Stadtquartieren. Empirische Befunde zeigen aber auf, dass eine verdichtete und durchmischte Siedlungsstruktur allein nicht ausreicht, sondern dass auch Maßnahmen im Verkehrsbereich für eine „Stadt der kurzen Wege“ erforderlich sind.[2]

Johannes Klühspies zufolge ist der Titel „Stadt der kurzen Wege“ suggestiv und positiv belegt, da er eine Erleichterung der täglichen Mobilität, mehr verfügbare Zeit für andere Zwecke, das Erlebnis eines Freiheitsgefühls durch zunehmende Zeitautonomie, positive Kommunikationschancen und mehr Zeit in vertrauter, sicherer Umgebung andeute. Die „Stadt der kurzen Wege“ sei eine Idealisierung, die auch langfristig gesehen nur zu einem Teil verwirklicht werden könne. Das Konzept mache aber deutlich, dass es nicht um die Mobilität an sich gehe, sondern vielmehr eine schnelle Erreichbarkeit und gute Zugänglichkeit wesentlich sei.

Als Element einer „Stadt der kurzen Wege“ wird auch eine Verknüpfung und räumliche Bündelung familienbezogener Infrastrukturangebote und Dienstleistungen in Familienbüros, Eltern-Kind-Zentren oder Mehrgenerationenhaus genannt, die den Nutzern Wege ersparen.[3]

  1. Vasiliki Geropanta, Riccardo Porreca: The Concept of Proximity in Post-pandemic Architectural Thinking: 15-Minute City and Superblocks. In: COVID-19 (Forced) Innovations. Springer Nature Switzerland, Cham 2024, ISBN 978-3-03156606-6, S. 23–37, doi:10.1007/978-3-031-56607-3_3 (springer.com [abgerufen am 15. Juni 2024]).
  2. Michael Wegener: Die Stadt der kurzen Wege: Müssen wir unsere Städte umbauen? (= Berichte aus dem Institut für Raumplanung. Nr. 43). Universität Dortmund, Dortmund Januar 1999 (archive.org [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 18. November 2022]).
  3. Memorandum Familie leben. Impulse für eine familienbewusste Zeitpolitik. (PDF; 3,3 MB) BMFSFJ, archiviert vom Original am 31. Januar 2012; abgerufen am 18. November 2022.

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