Das Tempus (lateinisch „Zeitspanne, Zeit“, Plural Tempora) ist eine grammatische Kategorie, die in vielen Sprachen am Verb markiert wird und dann zur Flexion (Formenbildung, Konjugation) der Verben beiträgt. Ihre Bedeutung ist klassischerweise beschrieben worden als „der sprachliche Ausdruck von Zeitbeziehungen“ (Otto Jespersen)[1] oder (präziser) als „der grammatisierte Ausdruck von Lokalisierung in der Zeit“ (Bernard Comrie).[2]
Als grammatische Kategorie ist das Tempus zu unterscheiden von den Mitteln, die der Wortschatz einer Sprache zur Verfügung stellt, um über die Zeit und Zeitverhältnisse zu reden, z. B. Zeitadverbien. Auch Sprachen, die kein Tempus im grammatischen Sinn aufweisen (z. B. Chinesisch, Indonesisch), ermöglichen in der Regel mit anderen Mitteln Angaben über dieselben grundlegenden Zeitverhältnisse (sie tun dies aber weit weniger, da nur grammatisches Tempus obligatorisch ist). Die vom Tempus ausgedrückten Zeitbeziehungen werden typischerweise relativ zur aktuellen Sprechsituation verankert; insoweit handelt es sich beim Tempus um eine deiktische Kategorie. Damit gleicht die Bedeutung des Tempus der von Zeitadverbien wie „gestern“ oder „jetzt“ (deren Bedeutung vom Sprechzeitpunkt abhängt), im Gegensatz zu absoluten Zeitangaben wie „im Jahr 2000“.
Die Kategorie Tempus besteht aus einem System von Unterkategorien, deren Anzahl je nach Sprache (und auch je nach Beschreibungsansatz) unterschiedlich ausfällt. Die wichtigsten Kategorien beruhen auf der Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Da die Kategorie Tempus der Grammatik angehört, wogegen es sich bei Vergangenheit oder Zukunft um sprachunabhängige Vorstellungen handelt, ist jeweils gesondert zu fragen, welche Entsprechungen zwischen grammatischer Form und Bedeutung bestehen – zum Beispiel, wie sich die Form Präsens zum Begriff der Gegenwart im Einzelnen verhält.
Tempus ist gegen die Nachbarkategorien Aspekt, Modus und Modalität abzugrenzen; die grammatische Formenbildung und die Interpretation zeigen jedoch Kombinationen, Übergänge und Wechselbeziehungen zwischen diesen Kategorien. Diese Zusammenhänge führen dazu, dass Tempus, Aspekt und Modus, vor allem in der Sprachtypologie, oft auch als eine übergeordnete Kategorie der Verbflexion zusammengenommen werden („TAM-“ oder „TMA-System“).[3][4] Eine häufig benutzte verkürzte Definition ist, dass das Tempus die Beziehung zwischen der Sprechzeit und der Zeit des vom Verb ausgedrückten Ereignisses angibt – doch bereits dies gilt in sprachwissenschaftlichen Modellen des Tempus nicht direkt, sondern ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Tempus und Aspekt.