Vernunftrecht ist Recht, dessen Begründung aus der bloßen Vernunft hergeleitet wird. Im Rahmen der Frühaufklärung gewann das Vernunftrecht unmittelbaren Einfluss auf Rechtswissenschaft, Gesetzgebung und Rechtspflege der meisten europäischen Völker. Es prägte das 17. und 18. Jahrhundert und kann als säkularisierte Variante des wesentlich umfassenderen Naturrechts verstanden werden.
Die Besonderheit des Vernunftrechts bestand darin, dass es nicht die etablierte Fachjurisprudenz selbst war, die sich zum Wortführer unmittelbarer moralischer und sozialer Forderungen aufschwang, sondern dass die Initiative aus den Reihen der Vertreter der Sozialphilosophie hervorging. Da mit den Forderungen der Anspruch verknüpft war, selbst Rechtstheorie zu sein, rangen die Sozialphilosophen mit der späten Moraltheologie um die Legitimation, der positiven Jurisprudenz mit ihren Forderungen den Weg zu weisen. Letztlich emanzipierten sich die Sozialphilosophen von der Moraltheorie und eröffneten temporär ein eigenes Zeitalter.
Insbesondere sollte das Vernunftrecht späteren Kodifikationen den Weg weisen. Es entstanden Werke, die unter dem Begriff der Naturrechtsgesetzbücher gefasst werden. Insbesondere waren das neben dem preußischen Landrecht und dem österreichischen Zivilrecht, Gesetze Napoleons, diese zusammengefasst in den Cinq codes. In Frankreich konnten nach der Revolution die anstehenden Rechtsreformen mit einer systematischen und umfassenden Gesellschaftsneuordnung vorgenommen werden, da die Aufklärung zur Überzeugung geführt hatte, dass „vernunftgemäßes“ sittliches Handeln eines Regierungsapparates und eines nationalen Gemeinwillens die Gesellschaft verbessern würde.