Weltanschauung

Unter einer Weltanschauung versteht man heute vornehmlich die Gesamtheit persönlicher Wertungen, Vorstellungen und Sichtweisen, welche die Deutung der Welt, die Rolle des Einzelnen in ihr, die Sicht auf die Gesellschaft und teilweise auch den Sinn des Lebens betreffen. Sie ist damit die grundlegende kulturelle Orientierung von Individuen, Gruppen und Kulturen.[1][2] Werden diese Überzeugungen reflektiert und systematisiert und fügen sich so zu einem zusammenhängenden Ganzen, kann von einer geschlossenen Weltanschauung beziehungsweise einem Glaubenssystem gesprochen werden.[3] Solche Systeme können von einer Gruppe, einer Gesellschaft und selbst von mehreren Kulturen geteilt werden, wie es etwa bei großen Religionsgemeinschaften, Weltanschauungsgemeinschaften oder deren gesellschaftlicher Wirkung der Fall ist.

Weltanschauungen sind teils soziokulturell bestimmt, also traditionsgebunden, teils geprägt durch transkulturelle philosophische oder religiöse Vorstellungen, und teils bestimmt durch spirituelle und esoterische Geheimwissenschaften.[4] Die Grundlage der traditionell ganzheitlichen und mythisch erklärten Weltanschauungen der naturangepassten Kulturen fasste Claude Lévi-Strauss unter die Bezeichnung „Wildes Denken“.[5] Heute können auch einzelwissenschaftliche Erkenntnisse eine „Weltanschauung“ bestimmen und verändern.

Der verwandte Begriff Weltsicht ist weiter gefasst und beinhaltet über die persönlichen Wertvorstellungen und Sinnfragen hinaus z. B. auch gesellschaftliche und physikalische Erklärungsmuster unterschiedlichster Phänomene.

Der normative Anspruch einer Weltanschauung kann als absolut und exklusiv verstanden werden; der Begriff „Weltanschauung“ beinhaltet aber auch die Möglichkeit (oder den Hinweis), dass auch andere Meinungen möglich sind. Themenkreise, die von einer Weltanschauung in organischer Gesamtheit abgedeckt werden können, betreffen häufig Inhalte und Beziehungen zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und Religion, Politik und Wirtschaft, Natur und Kultur, Brauchtum und Moral. Verschiedene Wissenschaftler haben Gesellschaften nach ihren Weltanschauungen und der daraus hervorgehenden Motivation zum kulturellen Wandel klassifiziert (→ siehe dazu: Kalte und heiße Kulturen oder Kulturelemente).

Das deutsche Wort „Weltanschauung“ ist in vielen Sprachen der Welt ein Lehnwort, z. B. im Englischen und Französischen.

  1. Dieter Haller (Text), Bernd Rodekohr (Illustrationen): Dtv-Atlas Ethnologie. 2. Auflage. dtv, München 2010, S. 233.
  2. Reinhold Zippelius: Rechtsphilosophie. 6. Auflage. § 17 I.
  3. Günter Kehrer: Religion und sozialer Wandel in Günter Dux (Hrsg.): Religion und Sozialer Wandel Und andere Arbeiten / Religion and Social Change And other Essays. Springer, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-663-01714-1, S. 40.
  4. Helmer Ringgren: Anthroposophie. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 3, de Gruyter, Berlin 1978, S. 12; Sven Ove Hansson: Is Anthroposophy Science? In: Conceptus. 25 (1991), Heft 64, S. 37 f. (online, Zugriff am 17. Juni 2016); Jan Badewien: Faszination Akasha-Chronik. Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie. Vortragsmanuskript (Memento vom 9. Januar 2007 im Internet Archive) (PDF; 211 kB). Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Veranstaltet vom Kulturwissenschaftlichen Seminar, in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, Humboldt-Universität zu Berlin, 21. Juli 2006.
  5. Claude Lévi-Strauss: Das wilde Denken. Übersetzung von Hans Naumann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968.

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